Das Mittelgesicht bitte in OP3.

Ganz vorneweg möchte ich mich bei all den lieben Menschen bedanken, die mich in dieser nicht ganz fahrplanmässigen Zeit mit tatkräftiger Hilfe, viel Herz und warmen Worten unterstützt haben. Ihr seid wunderbar und ich stehe tief in eurer Schuld. Irgendwie hat sich der April zu einem Arschloch-Monat entwickelt und ich bin froh, dass ich auch dieses Festival mit eurer Unterstützung weitestgehend ohne Folgeschäden überstehen können dürfte.

Was war passiert?

Irgendwie kam ich am 12.04.15 abends auf die phantastische Idee auszuprobieren, ob man bei einem Velosturz mit 50km/h eine gescheite Schutzreaktion durchführen kann. Als Trigger diente eine Schiene des 9er-Trams von Wabern. Fazit: geht natürlich nicht. Idiot.
(An die Versicherung: das ist natürlich Ironie.)

Dank freundlicher Unterstützung einiger Passanten („Bruuchsch än Arzt?“) und meines zum Glück noch anwesenden Bewusstseins ging das Ganze wenigstens verkehrstechnisch glimpflich aus. Selbst das Testobjekt ist unbeschädigt. Was man von meiner Nase nicht behaupten konnte, die blutete das halbe Trottoir voll.

Es ging dann ziemlich zügig in den Notfall des Inselspitals, wo die Versuchsauswertung mit modernster Technik durchgeführt wurde.

Diagnostik

Im Krankenhaus folgten eine Runde CT am Kopf und Röntgen der Hand. Ein paar Stunden später wurde meine initiale Vermutung einiger Prellungen und Schürfwunden doch unangenehm korrigiert:

  • Kompletter Abbruch des Oberkiefers vom Schädel
  • Bruch beider Augenhöhlen
  • Bruch Nase und Nasenscheidewand
  • Bruch des Mittelhandknochens des rechten Mittelfingers
  • Minus 4 Zähne

In einer ersten Vorbesprechung gab es jedoch optimistische Aussagen, dass diese Frakturen kein unlösbares Problem darstellen. Fazit: SCHWEIN GEHABT! Dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl, wenn sich durch Druck der Zunge auf den Gaumen die Kauleiste verschieben lässt. Nicht schön.

Service & Repair

Operationen

Die erste und grössere Operation im Gesicht war für Montag angesetzt. Die Vorsprechung mit Erklärung der Operationsstrategie war recht interessant: nicht-sichtbare Eingriffstelle, Verschrauben des Kiefers, Ausrichten der Nase, Fixierung der Zähne oder dem, was von denen übrig ist, etc. Einige Dinge werden auch erst während der OP defintiv entschieden. Logischerweise geht das nur mit einer Vollnarkose, in diesem Fall mit künstlicher Beatmung.

Über die dreistündige Operation selbst kann ich gar nicht so viel berichten, irgendwie war ich ziemlich müde. Komisch, aber zu der Uhrzeit halte ich sonst wohl immer meinen Büroschlaf. Interessant ist noch, dass sich kleine Holzstäbchen doch etliche Zentimeter tief in der Nase versenken lassen. Und die Überwachungsgeräte im Aufwachraum blinken immer so nervös, wenn man einen Ruhepuls von ca. 40 hat. An dieser Stelle noch einen grossen Dank an Dr. Iizuka und das ganze Klinik-Team für die wirklich hervorragende Arbeit!

Da die Hand in einen anderen Zuständigkeitsbereich fällt und die Jungs nicht den gleichen Kalender benutzen, wurde ein zweiter OP-Termin auf Dienstag gelegt. 2 Tage lang nichts essen und trinken. Das schaffe ich mit meinen Reserven ja locker.

Die zweite OP war deutlich interessanter, da nur unter lokaler Anästhesie und daher live. Zuschauen wollte ich gleichwohl nicht, dafür hat die Anästhesitin Live-Ticker gespielt und die Ärzte geben auch immer die aktuelle Taktik durch („Pinzette…Bohrmaschine….feine 2mm-Schraube….Schraubenzieher“). Dankbar war ich noch für den Hinweis, dass ich meinen Arm nicht heben solle. Der Unterarm fiele dann unkontrolliert auf die äusserst schmerzempfindliche Nase. Recht sollten sie behalten. Schwerkraft ist ein Arschloch.

Nachbehandlungen

In den Wochen nach den OPs folgten die obligatorischen Nachbehandlungen, insbesondere zur Wiederherstellung meines Zahnpasta-Lächelns.

Behandlungen im Krankenhaus

Eine gute Woche nach der OP ist der Chef sehr zufrieden mit dem Heilungsverlauf. Die erste Naht am Kinn wurde entfernt und neue Gummis zur Feinstellung des Kiefers montiert. Weitere zwei Tage später gab es eine neue Schiene an der Hand als Schutz im Alltag. Trotz (stabilisiertem) Bruch soll ich meine Hand normal gebrauchen, solange ich damit keine Lasten bewegen muss. Das gelingt alles schon ziemlich gut, auch die Schwellung ist fast verschwunden…was man von der Verfärbung nicht sagen kann. Die ganz Hand ist ein einziges Hämatom.

Genau zwei Wochen nach der Operation sollten die Schienen an den Zähnen wieder entfernt werden, da die Position des Unterkiefers zufriedenstellend ist. Die fehlende Kontaktkraft auf den Backenzähnen machte es erforderlich, dass die oberen Schneidezähne sich entspannen können. Die ganze Arbeit ist eine ziemliche Sauerei, da die verklebten Haltedrähte mit dem Seitenschneider abgeschnitten werden und im ganzen Laden herumfliegen. Als ob das hinterher jemand aufräumt. Ich sicher nicht. Blutig wurde es dann auch, da die Drähte beim Herausziehen ins Fleisch schneiden. Trotzdem gut gemacht. Das taube Gefühl im völlig zerdrückten Zahnfleisch sollte in den folgenden Wochen auch verschwinden.

Zwei weitere Tage später waren die Nähte auf dem Handrücken an der Reihe. Diese Wunde entwickelt sich erstaunlich gut. Das Ablösen des Narbengewebes vom Knochen wird aber noch eine Weile Beschäftigung benötigen.

To be continued.

 Behandlungen beim Zahnarzt

Normalerweise beginnt die Zahnbehandlung erst einige Wochen nach der OP, wenn der Kiefer wieder stabil ist. Der offene Nerv am unteren Schneidezahn durfte aber schon nach zwei Wochen wieder verschlossen werden. Ein Nerv weniger. Ein paar weitere Zähne haben auch einen Kunststoffüberzug erhalten, um sie etwas unempfindlicher zu machen. Endlich wieder Zähne putzen.

 

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